Gründer des Eigen-Ji Rinzai Zen-Ordens
Das Tempelkloster Eigenji, kurz nach Beginn der Muromachi Zeit gegründet (1361), besteht nach einer wechselreichen Geschichte bis heute fort und kann als exemplarisch für die Rinka-Klöster der Rinzai-Schule angesehen werden. In einiger Entfernung von der Hauptstadt Kyoto gelegen, atmet das Kloster die Atmosphäre der Klöster „unter dem Wald“ (rinka), deren Einfachheit das Zen auf dem Lande charakterisiert. Täglich schauen die Mönche Berge und Wasser, Vögel und Wald, die Natur bietet ihnen Heimat.
Im Eigenji lebt das Andenken an den Gründermönch Jakushitsu Genko (1290-1367) fort, nicht bloß in der für ihn erbauten Gedenkstätte, auch der Geist des feinfühligen, mit reicher dichterischer Begabung beschenkten Mannes, der Ernst und Verantwortungssinn mit inniger Naturliebe verband und das Zen konsequent lebte, wurde durch die Jahrhunderte unversehrt bewahrt. Einige seiner zahlreichen Gedichte sind heute noch lebendiges Volksgut.
Jakushitsu verkörpert den Geist des Rinka-Zen. „Der Mann des Rinka-Zen“, schreibt ein zeitgenössischer japanischer Zen Dichter, „wandert mit seiner Flöte über die Berge, wohnt in stillen, kleinen Tempeln, in Zen-Klausen, Einsiedeleien und Strohhütten“. Dieser Lebensstil entsprach dem Temperament und den Herzenswünschen des Jakushitsu. Er ist ihm treu geblieben bis wenige Jahre vor seinem Tode, als er in dem für ihn erbauten Tempelkloster Eigenji im Lande Omi (Bezirk Shiga) Wohnung nahm, ohne für sich Besitzrechte zu beanspruchen. Er hat keine Traktate und nur wenige Mahnworte hinterlassen. Das Zen bedeutete ihm die existentielle Erfahrung der Größe dieses Menschenlebens in seiner Vergänglichkeit. Geburt und Tod klären, ist nach seiner Überzeugung die eine große Angelegenheit, die dem Zen-Mann obliegt. Darüber redete er wenig, aber in der Waldeinsamkeit sah sein Auge die Symbole des Vergänglichen, das nur ein Gleichnis ist.
Das Leben des Jakushitsu Genko, eines der bedeutendsten Vertreter des Zen-Buddhismus seiner Zeit, verdeutlicht in besonderer Weise das Charakteristische des Rinka-Mönches. Zugleich treten, da Jakushitsu keineswegs aus einem zu solcher Lebensweise hinneigenden Milieu stammt, die Entwicklungsphasen seiner Persönlichkeit während seines Lebensweges hervor. Im Lande Mimasaku (Bezirk Okayama) geboren, ist er väterlicherseits wahrscheinlich mit der weit verzweigten Fujiwara-Familie verwandt. Der geweckte Knabe war ein sensibles Kind von eher weichem Charakter, folgsam und intelligent. Die Eltern gaben ihn zwölfjährig ins Tempelkloster Tofukuji in Kyoto, nicht dem persönlichen Wunsch oder religiösen Verlangen des Knaben folgend, sondern um diesem eine gute schulische Ausbildung zu sichern. Diese schien, bezeichnend für die Zeitlage, im buddhistischen Kloster am besten gewährleistet.
Jakushitsu kam also zunächst als Student ins Kloster, aber schon nach zwei Jahren erfuhr er eine innere Wende, als ihn bei einem Landaufenthalt die tiefe Sammlung eines Zen Mönches, der aus dem Ostland heimkehrend auf der Durchreise im Tempel weilte, aufs tiefste beeindruckte. Er trat in den Mönchsstand ein, weil er begriff, dass Schriftkenntnis und Gelehrsamkeit nicht genügen. Damals erzählte ihm ein Mitmönch, den der Studienbetrieb im Tofukuji ebenfalls nicht befriedigte, vom Zen-Meister Jakuo Tokken (1245 – 1320), einem hervorragenden Schüler des Lan-Hsi Tao-lung, der dem Zenkoji, einem von Lan-hsi gegründeten kleineren Kloster in Kamakura vorstand. Sollten sie nicht diesen Meister aufsuchen, um echtes Zen bei ihm zu erlernen? Unverzüglich machten sich beide auf den Weg und erlangten die Aufnahme in die Jüngerschaft des Jakuo Tokken (1305). Als dieser im folgenden Jahr als Abt des Kenninji nach Kyoto berufen wurde, folgte ihm Jakushitsu, leistete ihm bei Erkrankungen persönliche Dienste und ließ sich von ihm in der Zen-Übung unterweisen. Eines Tages bat er den Meister um ein „letztes Wort“ (matsugo). Der Ausdruck ist zweideutig und kann sowohl das Abschiedswort eines sterbenden Meisters als auch ein Kennwort zur
Erlangung der Erleuchtung bedeuten. Der Meister antwortete kein Wort, sondern schlug seinem Jünger mit der flachen Hand ins Gesicht. Der Schlag löste in diesem die Erleuchtung aus (1306).
Auf den Rat seines Meisters studierte Jakushitsu unter der Führung des Vinaya-Meisters E’un einige Monate die buddhistische Mönchsregel (1309), dann kehrte er zu Yakuo zurück. Viele Jahre des folgenden Jahrzehntes seines Lebens verbrachte er bei chinesischen Meistern in Japan, denen er freundliche Hilfe leistete. Zuerst diente er im Kenchoji bei Tung ming Hui-jih (1272-1340), einem Vertreter der chinesischen Ts’ao-tung-Schule, der sich in Japan dem Rinzai-Zen angeschlossen, dann bei Tung-li Hung-hui, der ebenfalls vom Ts’ao-tung-Zen zur japanischen Rinzai-Schule übergewechselt hatte.
Am bedeutsamsten ist sein zweijähriger Aufenthalt bei I shan I-ning, dem Abt des Nanzenji. Der erstklassige Literat war schon von dem Gedicht des erst 17jährigen Jakushitsu „Bodhidharma im Schnee“ begeistert gewesen und hatte mit seinem Lob nicht gespart. Nun förderte er in jeder Weise das Talent seines Schülers. Jakushitsu wurde einer der bedeutendsten Zen-Dichter der Epoche. Seine Gedichte zeugen von reichen und tiefem Gefühl und von ungewöhnlicher schöpferischer Kraft. Nach dem Urteil des Herausgebers und Übersetzers Iriya Yoshitaka übertreffen seine „außerordentlich hervorragenden Werke“ die in der Form makellosen, jedoch der Tiefe ermangelnden poetischen Erzeugnisse des zeitgenössischen hochberühmten Gozan-Dichters Chugan Engetsu (1300-1375). Die Gedichte des Jakushitsu Genko bilden den größeren Teil seiner Spruchsammlung.
Eine Wende im Leben des Jakushitsu brachte die Chinareise, zu der er im Todesjahr seines Meisters Yakuo mit einer Gruppe von Zen-Mönchen aufbrach. Sein erstes und wichtigstes Ziel war der Besuch des Japanerfreundes Chung-feng Min-pen, zu dem er nicht als irgend ein Gast, sondern in der Haltung des um Führung bittenden Jüngers kam. Er wurde in seiner Erwartung nicht enttäuscht. Der große chinesische Meister prägte ihn für sein Leben. Was Jakushitsu in späteren Jahren seinen Jüngern übermittelte, ist das Echo der Lehre des Ming pen, reines Zen.
Wenn bei den chinesischen Zen-Meistern gegen Ende der Sung-Zeit und am Anfang der Yüan-Periode die Amida Verehrung einen Platz einnimmt, so bedeutet dies keine Beeinträchtigung der Grundhaltung des Koan-Zen. Einmal ist zu bedenken, dass der Buddha Amitabha (jap. Amida) wie alle Buddhas von frommen Buddhisten verehrt wird. Jakushitsu’s Spruchsammlung enthält einen Abschnitt mit Lobpreisungen der Buddhas. In zwei Gedichten, die Amida betreffen, wird deutlich gesagt, dass das Reine Land nicht in einem westlichen Paradies, sondern im eigenen Geist zu suchen ist.
So muß auch der folgende Passus aus den Dharma-Worten des Jakushitsu verstanden werden:
Das Nembutsu strebt dem Kreislauf von Geburt und Tod zu entrinnen, die Zen-Übung zielt die Klärung der ursprünglichen Natur an. Dass jemand, der die ursprüngliche Natur in der Erleuchtung erfaßt hat, dem Kreislauf von Geburt und Tod nicht entronnen ist, wurde niemals vernommen. Auch hat, wer dem Kreislauf von Geburt und Tod entronnen ist, die eigene ursprüngliche Natur nicht verloren. Also sind Nembutsu und Zen-Übung zwar dem Namen nach verschieden, jedoch in ihrem Wesen gleich.
Nembutsu und Zen-Übung haben einen gemeinsamen Grund in den Mahayana-Sutren. Dies gestattet, richtig verstanden, das Zusammengehen der zwei buddhistischen Wege. Das Zen des Jakushitsu wurzelt wie das des Ming-pen in der Tradition des Sechsten Patriarchen Hui-neng. Der Ausdruck „Verbindung von Zen und Reinem Land“, der mit Bezug auf die beiden Meister öfters gebraucht wird, bezeichnet nicht, „wie aus dem Wort geschlossen werden könnte, Gemeinsamkeit oder synthetische Vereinigung“.
Jakushitsu weilte sechs Jahre in China (1320-1326). Während des ersten Jahres lernte er als ein Schüler bei Ming-pen auf dem T’ien-mu-Berg. Er blieb noch weitere fünf Jahre im Reich der Mitte, um berühmte Tempel zu besuchen, mit erfahrenen Meistern Gespräche zu führen und um sich mit dem chinesischen Brauchtum bekannt zu machen. Wir wissen die Namen vieler buddhistischer Stätten, die er besuchte. Das Wanderleben machte ihm Freude und schenkte ihm innere Bereicherung. In seinen Gedichten schildert er nicht selten die Eigenart und Schönheit der chinesischen Landschaft.
In Japan setzte er nach seiner Rückkehr diese Lebensweise fort. Er wanderte 25 Jahre lang durch Südwestjapan, vornehmlich in den Ländern Bizen und Bitchu (Bezirk Okayama) und in Bingo (Bezirk Hiroshima). Gelegentlich suchte er auch sein Geburtsland Mimasaku (Bezirk Okayama) auf. Biographische Angaben nennen wieder viele Tempelnamen, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Der Dichtermönch liebte das einfache Leben der Landklöster, tauchte tief in die Einsamkeit der Natur ein und fand sein geistiges Genügen in stiller Rast am Berghang oder bei einer Bachquelle. Eine Ausstrahlung ging von ihm aus, die gleichgesinnte Zen-Freunde zu ihm hinzog.
Einen Einschnitt in sein Wanderleben brachte sein Abschied von den Ländern Bizen, Bitchu und Bingo, als er sich nach 25 Jahren unsteten Umherstreifens nach Nordosten wandte (1350). Ungefähr drei Jahre lang (um 1352) hielt er sich im Tozenji im Lande Mino (Bezirk Gifu) auf. Eine Reise brachte ihn nach Shizuoka und ins Land Kai (Bezirk Yamanashi). Als er die Richtung nach Westen einschlug, kam er ins Land Omi (Bezirk Shiga), wo der Schutzherr (shugo) Sasaki Ujiyori (1326 – 1370) eine herzliche Zuneigung zu ihm faßte. Er ließ für den alten Meister das Tempelkoster Eigenji erbauen (1361).
Jakushitsu bedauerte zwar, nun sein freizügiges Wanderleben aufgeben zu müssen, fügte sich indes den Wünschen seiner Freunde. Als Abt des Klosters entfaltete er eine bedeutende Tätigkeit. In einem Jahr sollen bis an die zweitausend Besucher zum Tempel gekommen sein. Wie wenig Jakushitsu an der Abtswürde hing, zeigte er, als er schon nach fünf Jahren zu Gunsten seines Hauptjünger Miten Eishaku von seinem Amt abdankte (1366). Zuvor hatte er die Berufung der zwei berühmten Gozan-Tempel Tenryuji (Kyoto) und Kenchoji (Kamakura) abgelehnt.
Zwei kleinere, ebenfalls unter Regierungsschutz stehende Tempel Choshoji (Kamakura) und Manjuji (im Land Bungo) hatten sich bereits in früheren Jahren vergeblich bemüht, ihn zum Vorsteher zu erhalten. Die Ablehnung solcher Ersuchen erfolgte aus tiefer Überzeugung. Obgleich der Name des Jakushitsu Genko weniger bekannt ist als der berühmter zeitgenössischer Meister in den japanischen Hauptstädten, rechnet er doch zu den bedeutenden Zen Männern der Epoche. Sein Leben als armer, einsamer Wandermönch, das er Jahrzehntelang durchhielt, macht ihn zu einer buddhistischen Idealfigur, wie sie in der Frühzeit nicht selten vorkamen.
Sein Testament bezeugt seine völlige Losschälung, wenn er seinen Wunsch mitteilt, die dem Kloster geschenkten Ländereien von Kumahara möchten nach seinem Tode dem Geber zurückerstattet, die Tempelgebäude aber der Ortschaft Takano, zu der sie gehörten, übermacht werden, wenn man sie nicht lieber als eine Übungsstätte für Zen Mönche benutzen wolle. Sein konsequenter Lebensstil, insbesondere seine Abneigung gegenüber dem Glanz und Pomp prachtvoller Tempelbauten, seine Zurückweisung ehrenvoller Positionen und seine Entäußerung von materiellen Gütern, erweist seinen echten Zen-Geist.